Vor etwas mehr als drei Jahren erschien The Rising Tide. Ein Epos, das in der Ruhe seine Kraft offenbarte, eine Wucht an schwelgerischer Melancholie und himmlischen Melodien. Ein großes Album, ein Manifest voll ergreifender Schönheit. Kurz danach löste sich mit Sunny Day Real Estate die Band, die hinter alledem stand, auf. The Rising Tide wurde zum letzten Vermächtnis jener Band, die als Pioniere der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Emo-Bewegung angesehen wird. Die Hauptdarsteller dieser Band konnten aber auch nach der Trennung natürlich nicht von der Musik ablassen, denn die Band, die vormals als Sunny Day Real Estate bekannt war, existierte auch nach dem zumindest in der Öffentlichkeit vollzogenen Split weiter: The Fire Theft waren geboren. SDRE hatten nie wirklich aufgehört zu existieren. Jetzt schreiben wir das Jahr 2003, 3/4 der Originalbesetzung von SDRE firmieren nun also unter neuem Namen und machen genau da weiter, wo ihre Vorgänger-Band aufgehört hatte. Sänger Jeremy Enigk, Drummer Will Goldsmith und Bassist/Gründungsmitglied Nate Mendel, der ja ansonsten bei den megapopulären Foo Fighters spielt und dort viel mehr im öffentlichen Rampenlicht steht, haben sich zusammengerauft und bei Rykodisc einen Plattendeal an Land gezogen. Dieser Tage erscheint nun ihr Debütalbum. Es ist selbstbetitelt, das machen Künstler oft, wenn sie denken, dass das vorliegende Werk die Band bestimmt und deshalb keinen Namen braucht. Zumindest hier erweist sich diese These als richtig. Es beginnt mit Uncle Mountain. Schon früh setzten die Streicher und ein Piano ein, doch sobald Jeremy Enigks Stimme ertönt, schwinden ersteinmal alle anderen Eindrücke. Diese extravagante Stimme voller Ausdrucksstärke und Charisma, ebenso zerbrechlich wie aufmunternd, zwischen jungendlicher Orientierungslosigkeit und altmännischer Weisheit pendelnd, bewirkt ein ums andere Mal den wohligen Schauer einer angenehmen Gänsehaut. Deswegen, und weil die Songs reich orchestriert (neben Streichern und Piano fällt vor allem der häufige und gekonnte Einsatz von Keyboard-Sounds positiv auf) und intelligent arrangiert sind, strahlen die Songs ungemein viel Atmosphäre aus. Wie damals schon The Rising Tide ist The Fire Theft ein schwelgerisches Epos voller Melancholie, aber auch eine Zelebrierung unterschiedlichster Gefühle, denn auch optimistischere Untertöne finden in den neuen Songs Geltung. Houses zum Beispiel hat eine fast fröhlich anmutende, sehr harmonische Grundstimmung, die konsequenterweise durch ein Glockenspiel bereichert wird. Auch die Melancholie in Summertime hat einen hoffnungsvollen Schimmer, diese paranoide Doppelseitigkeit der Gefühlswelt zeigt sich auch im pianobegleiteten Heaven, einem ebenso verzweifelten wie optimistischem Liebesbekenntnis. Doch egal ob hoffnungsvoll oder depressiv, die Songs besitzen immer diese seltsame, eigenwillige Schönheit, die man bis dato logischerweise nur von SDRE kannte. Die immer schon vorhandenen Prog-Ansätze der Vorgänger-Band werden in Form des sphärischen Oceans Apart ebenso wie im Opener (dieses Solo!) und im psychedelischen Rubber Bands weiterentwickelt, einem rockigen Instrumental der alten Schule, das vom Stil her an die Altmeister von Led Zeppelin gemahnt. Überhaupt: Es ist nicht schwer zu erahnen, das vieles, was auf diesem Album zu hören ist, stark unter dem Einfluss der siebziger Jahre steht. Neben eingängigem Stoff wie Chain oder It´s Over ist man auch für völlig neue Experimente offen, die es im SDRE-Kontext bisher noch nicht gegeben hat. Der wabernde Backwards Blues zum Beispiel ist ein völlig untypisches, elektronisch-experimentelles Instrumental. Enigk und Co sind musikalisch experimentierfreudiger und abwechslungsreicher geworden. Einen richtigen Rocker, wie es auf The Rising Tide beispielsweise noch Television war, gibt es auf The Fire Theft zwar nicht mehr, dafür aber mit Sinatra definitiv die schönste, positivste, lebensbejahendste Hymne des Jahres. "Believe In All The Good Things/You Keep Inside/There Is No Freedom In Life/Without Freedom Of Mind" heißt es da, an anderer Stelle "I Can´t Bury My Life/When I Can Fill It Up With Joy/I Can´t Bury My Life/When I´m Lucky To Have A Choice". Wer hätte schon damit gerechnet, diese bewegenden Worte mal aus dem Munde von Berufsmelancholiker Enigk zu hören? Da kann man auch schon mal darüber hinwegsehen, dass Houses auf Dauer etwas auf die Nerven geht und sich mit Waste Time ein Song eingeschlichen hat, der eher B-Seiten-Format hat.
Fazit: Wer sich immer gefragt hat, wie es damals wohl mit Sunny Day Real Estate weitergegangen wäre, darf hiermit den Konkjunktiv zur Realität erklären: The Fire Theft vollziehen die konsequente Fortführung des SDRE-Erbes und liefern ein gelungenes "Debütalbum" ab.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend
-------------- "Es ist die Emotion, die Leidenschaft, die uns antreibt. Das Spiel auf dem Rasen ist nur der Anlass, das Fundament. Die Gesänge aus tausenden Kehlen peitschen durch das rund, die Menschenmassen hüpfen heißblütig auf und ab, die Fans hüllen den Block in ein Fahnenmeer und der Pulk bringt das Stadion mit hallenden Schlachtrufen zum Beben - das ist der Moment, für den wir leben."
-------------- "Es ist die Emotion, die Leidenschaft, die uns antreibt. Das Spiel auf dem Rasen ist nur der Anlass, das Fundament. Die Gesänge aus tausenden Kehlen peitschen durch das rund, die Menschenmassen hüpfen heißblütig auf und ab, die Fans hüllen den Block in ein Fahnenmeer und der Pulk bringt das Stadion mit hallenden Schlachtrufen zum Beben - das ist der Moment, für den wir leben."