Wenn zwei Genre-Großmeister sich zu einer spontanen Jam-Session treffen, kann Großes dabei herausspringen. Allerdings auch viel verzichtbares.
Als das Gerücht einer Zusammenarbeit zwischen Bonnie 'Prince' Billy und Tortoise gegen Ende des letzten Jahres durch den Blätterwald huschte, fragte sich der ein oder andere, wie das denn überhaupt funktionieren sollte. Auf der einen Seite: Bonnie 'Prince' Billy, bürgerlich Will Oldham, bärtiger Folk-Barde und ehemals Vorsteher der Palace Brothers. Dass dessen Herangehensweise an Musik gemeinhin als inkompatibel zum frickeligen Postrock von Tortoise steht, durfte zumindest angenommen werden.
Doch alles halb so wild, denn als eine richtige Zusammenarbeit auf Kreativbasis kann man "The Brave And The Bold" auch gar nicht bezeichnen, handelt es sich bei der Platte doch ausschließlich um eine Ansammlung von Coversongs. Ein Genre-Clash bleibt auch deshalb aus, weil Tortoise auf "The Brave And The Bold" stets als im Hintergrund bleibende Backing-Band für Oldhams zarte Folk-Weisen fungieren. Zusammen versuchen sie sich an dem gemeinen purerock.de-Normalverbraucher wohl kaum geläufigen Songmaterial unterschiedlichster Natur und Zeitperioden, die gerne auch dem allgemeinen Rock-Genre fremd sein dürfen.
So überrascht gleich der Einstieg "Cravo è canela" mit tanzbaren brasilianischen Rythmen (!), die wohl beiden Künstlern in ihrem eigenen Schaffenskosmos kaum jemand zugetraut hätte. Doch nicht jeder Ausflug in fremde Gefilde gelingt: Aus Lungfishs "Love Is Love" wird auch als Cover kein guter Song, "That´s Pep" von Devo wird zu einer arg schrägen wie holprigen Uptempo-Nummer. Auch die Version von "It´s Expected I´m Gone" der Minutemen beweist: Rockismen stehen dem Prinzen einfach nicht. Auf der sicheren Seite dagegen bewegt sich das Zweigespann in den ruhigen Nummern: Ob das harmonische "Pancho" von Don Williams oder die meisterliche Darbietung von Richard Thompsons"The Calvary Cross" - hier funktioniert "The Brave And The Bold" am Besten, denn dort kann Oldham mit seiner sanft und fragil dahingehauchten Heiserkeit zeigen, wo seine Stärken liegen.
So frisch ein gewisser Improvisationscharakter sich auf die Atmosphäre einer Platte auch auswirken kann, so dahingeschludert wirkt "The Brave And The Bold" hin und wieder allerdings auch. Gerade die sonst auf Perfektion bedachten Tortoise verstolpern sich hin und wieder, so dass man den Aufnahmen doch anmerkt, dass sie vermutlich das Produkt einer einzigen Session sind. Und so mancher Adaptionsversuch, etwa der von Elton Johns "Daniel", ist schlicht und einfach misslungen.
Um ein essentielles Werk handelt es sich also nicht, gerade Tortoise-Fans werden mit dieser zwiespältigen Platte kaum etwas anfangen können. Um die hin und wieder aufblitzenden genialen Momente zu erkennen, hilft es, die Originalsongs zu kennen, denn wie aus einem fiesen Schmachtfetzen wie Bruce Springsteens"Thunder Road" ein ausuferndes, bewegendes Drama gemacht wird, ist schon ein faszinierendes Erlebnis. Was man leider nicht von der gesamten Scheibe behaupten kann, die als auf ihre Höhepunkte zurechtgekürzte EP-Version weitaus mehr Sinn gemacht hätte.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend