Nur die Skandinavier können Melancholie in so unvergleichlicher Weise zelebrieren und besingen. Das war wohl schon immer so.
Wenn man fast 60 Tage lang die Sonne so gut wie gar nicht sieht und die menschliche Natur eines typischen Norwegers besitzt, dann bleibt einem anscheinend nichts anderes übrig, als verschlossene, dem eigenen Innenleben entsprechende Musik zu machen. Und Musik machen, das können die Skandinavier wirklich. Dank dieser Umstände wurden uns schon wunderschöne Platten aus den nordischen Landen geschenkt. Natürlich ist das auch nur teilweise wahr und es gibt genauso Alben von sonnigen Gemütern aus diesen Ebenen. Trotzdem kann man den Mensch dort einen völlig eigenen musikalischen Charme niemals absprechen. Wie der Name schon verrät, machen Emmerhoff and the Melancholy Babies da keinen großen Unterschied. Das aus der norwegischen Stadt Bergen stammende Quintett um Singer/Songwriter Gunnar Emmerhoff setzt die wiedersprüchliche Seele des Nordens passend in ihrer Musik um. "Charismatische Eigenbrötler" werden sie genannt; Kinder Norwegens, deren "Nähe zur Natur und ihren Elementen" Auswirkung auf ihre Musik gehabt hat. "Misty Trails" ist schon das fünfte Album der Band, die in ihrer Heimat anscheinend schon recht bekannt ist, hier aber erst jetzt mehr und mehr and Lob einheimst. Wenn das "Q Magazine" Emmerhoff als den "arctic Nick Cave" beschreibt, dann liegt es vielleicht gar nicht so falsch. Auch, wenn zwischen dem Meister dieses Genres und dem jungen Norweger noch Welten liegen. Interessant ist vor allem, dass man bei Emmerhoff and the Melancholy Babies nie in vollständigen Songkategorien denken kann. Das aufgebaute Bild von tristen Abgründen der Seele wird plötzlich durchbrochen von Country-esken Slide Guitars und der trügerischen Atmosphäre von überraschender Leichtigkeit. Und dieses Element, dieser Wechsel, diese Unsicherheit und vor allem das Trügerische; eine nebulöse Ahnung von grauer, undurchdringlicher Dämmerung, zieht sich durch das ganze Album. Wohl durch das gesamte Werk der Band. Denn "Misty Trails" ist eigentlich nur eine Sammlung ihrer besten Stücke. Da es aber das einzige bis jetzt in Deutschland erschienene Platte der Band ist, kann man es eigentlich ruhig als eigenes Album bezeichnen. Mit dieser Nacht, das wird klar, ist nicht nur die natürliche Nacht gemeint. Thema bleibt der Mensch. Die Nacht der Seele, der Einzug der Unheimlichkeit im Zwielicht des Selbst. "Manches bleibt in Nacht verloren" Und gerade deswegen sind Emmerhoff so unberechenbar und undurchschaubar. Man weiß eigentlich beim ersten Hören nicht wirklich, wo man das Album einordnen soll und kann es vermutlich auch nach dem zwanzigsten Mal nicht. Dafür hat man es aber mehr verstanden. Kann eher nachvollziehen, warum diese schief anmutenden Melodien und dieser Gesang, der manchmal schon an Kaizers Orchestra erinnert, plötzlich so gut zusammen passen. Das ist aber vermutlich auch der Schwachpunkt der Platte. Sie ist halt sehr "eigen". Nicht leicht zugänglich und vor allem auf keinen Fall für jede Situation geeignet. Muss Sie ja nicht und manchmal ist es schön bestimmte Musik zu haben, die Gemütslagen unterstützt oder hervorruft. Trotzdem sind die fünf Norweger nicht die Band, die man als seine Lieblingsband bezeichnen würde. Dazu sind sie einfach zu eigen. Hier und da blinkt dann auch mal der Rock durch, ein Solo oder lauterer Gesang, nicht das ewige Flüstern von Gunnar Emmerhoff. Trotzdem kann ich die angesprochenene Liebe zu Led Zeppelin nicht unbedingt in der Musik entdecken. Instrumententechnisch ist "Misty Trails" aber sehr vielseitig, da Banjo, Klavier, mal zwei Bässe und verschiedene sphärische Elemente verwendet werden. Ob Emmerhoff noch anders können als düster, wird nicht klar. Können sie anscheinend nicht. Ist ihnen aber nicht wirklich übel zu nehmen, da sie das, was sie können, eigentlich sehr gut machen.
Fazit: Ein arktischer Nick Cave taucht ein in das Zwielicht der Seele. Besingt tanzende Skelette, dunkle Pferde und düstere Orte. Das macht er gut. Darf er ruhig weiter machen. Wird er aber wahrscheinlich eh. Sich von seiner Heimat zu trennen ist nämlich nicht so leicht.
-------------- Some people never go crazy. What truly horrible lives they must lead.