Zu Deadwing schrieb ich damals: "Mastermind Steven Wilson scheint sich nie zu langweilen. Nicht nur, dass er mit Porcupine Tree dauernd an Neuem werkelt, er hat auch noch Zeit für ein Album und Tour seines noch relativ frischen Nebenprojektes Blackfield (sollte man sich, wenn man Porcupine Tree mag, auch mal anhören). Dazu werden noch Retrospektiven, DvDs und anderes veröffentlicht. Insgesamt sind von der Band auf ihrer Website 7 Nebenprojekte angegeben. Wilson ist also beschäftigt."
Daran hat sich seitdem nicht viel geändert. Gerade gastierten Wilson und Blackfield wieder in Berlin und da kommt sofort das neue Porcupine Tree-Album hinterher. Jetzt aber nicht mehr bei Warner, sondern auch bei Roadrunner untergekommen. Dementsprechend wurde neue Härte versprochen... Dazu kommt ja noch, dass Herr Wilson die Alben selbst produziert. Diese Band steht für Perfektion. Man nimmt sich die Zeit alles im Homerecording (und manchmal sogar nur mit Line 6 PODs) richtig aufzunehmen, dann die Drums und am Ende dann diese wirklich perfekte Bühnenshow. Porcupine Tree schaffen es live fast Cd-Qualität zu erreichen (und die ist bei ihnen sehr hoch). Nun aber mal zum neuen Album. Das ist dann sogar so wichtig, dass die CD watermarked kommt und mit Rückfax bestätigt werden muss. Aber was ist denn jetzt mit neuer Härte? Naja, ich würde sagen, die ist relativ. Noch immer gibt es Klavier und Geiger, noch immer ewige Flächen und seichtere Prog-Betten. Trotzdem gibt es immer wieder groovende Riffs, die ich allerdings im Vergleich zu Deadwing und In Absaentia nicht bedeutend härter finde. Das ändert sich im Schlüsselstück Anesthetize. Wie auch schon von den Kollegen von Plattentests bemerkt, wird dieses Stück ab ca. Minute 6:20 zum eigentlichen Diamanten des Albums. Wummert plötzlich hin und her, Trent Reznor wäre neidisch. Darüber immer noch Wilsons hohe Stimme, teils verzerrt, teils sich Tool-esk verschiebend. Es gibt viele, die Porcupine Tree mögen. Man möchte sagen zurecht. Doch stimmt auch der Ruf der glatten und so leicht erschließbaren Prog-Vorzeigehelden? Erschließbarkeit ist natürlich, gerade bei Prog, immer so eine Sache. Im Vergleich zu manch anderen, das Komplizierte Zelebrierenden, ist man geneigt einzugestehen, dass es bei Wilson immer nachvollziehbar und nie gleich, doch aber immer ähnlich zugeht. Insofern verstehe ich auch die "VÖLLIG ANDERS"-Rufe nicht ganz. Das hier sind immer noch ganz klar Porcupine Tree und das ist ein weiteres, nahezu perfekt produziertes Album von ihnen. Auf Dauer wird das vielleicht ein wenig langweilig. Wären da nicht Momente wie ab Minute 11 bei Anesthetize oder Way out of here, wäre man fast versucht ein wenig zu gähnen. Natürlich legt man bei ihnen die Latte auch von vornherein viel höher, aber ich muss zugeben, das Album in einigen Momenten lange nicht so spannend zu finden wie es andere tun. Markus Bellmann spricht von einem fast perfekten Album. Hm. Ich mag es zwar, aber so wirklich kann ich mich nicht anschließen. Da haben mich andere Soundlandschaften viel mehr beeindruckt. Prog ist immer gefährdet in das abzurutschen, was er eigentlich nie sein wollte: gleich. Das sind Porcupine Tree nie. Aber diese große Medienkritik hier gehört sicher nicht zu einem der besten Alben des Jahres. Angehört und sehr gut gefunden werden darf es doch trotzdem.
Fazit: Wieder gut gemacht. Natürlich. Perfektionisten bleiben welche. Leider bin ich dieses mal nicht hundertprozentig angetan. Ein Glück sind es aber genug andere.
vielleicht
-------------- Some people never go crazy. What truly horrible lives they must lead.