Patrick
EdKo
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Verfasst am: 28. 05 2005, 13:57 |
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AMPLIFIER - S/T [RE-RELEASE]
Stil: Neo-Space-Prog Label: Steamhammer / SPV Spieldauer: 10 Tracks, 63.05 min. + Bonus-EP: 4 Tracks, 18.49 min. & zwei Videos Release: 6. Juni 2005 Highlights: Motorhead; Airborne; The Consultancy; Glory Electricity Video: >> The Consultancy (RealMedia) // >> Neon (Real Media)
Offizielle Amplifier-Homepage
Prolog
Oftmals sagt man den Einwohnern des britischen Königreichs eine gewisse Arroganz und Überheblichkeit nach und als wollten sie das Klischee nicht etwa nur bestätigen, sondern ganz und gar breittreten, ließen Amplifier bereits im Vorfeld der Veröffentlichung ihres Debütalbums lässige Kommentare wie "Wir sind das größte Trio der Musikgeschichte" oder "Muse können wir allemal das Wasser reichen" ab. Das ist gewagt und muss bewiesen werden, aber Amplifier sind in der Tat groß. Sehr groß. Turmhoch. Gigantisch fast. Vielleicht wirklich das größte Trio seit Äonen. Zu Deutsch heißt Amplifier Verstärker und warum diese Band sich so genannt hat, verrät gleich der fantastische Opener Motorhead ((für dessen Songtitel es natürlich noch einige Coolness-Punkte zu verteilen gilt).Langsam lässt es sich an bis der Verstärker eingestöpselt wird und dieses unheimlich markante Riff erklingt, dem man sich im Verlauf der folgenden sechs Minuten auch absolut nicht mehr entziehen kann. Sechs Minuten? Richtig, so lange dauert ein Amplifier-Song im Durchschnitt. Höre ich da jemanden Prog-Rock sagen? Tja, progressiv ist es definitiv, was Amplifier auf ihr Debüt zaubern. Zu keinem Zeitpunkt der 63 Minuten langen Platte klingen der mit einer unwiderstehlichen, typisch britischen Nonchalance und starkem Charisma beschwörend singende türkischstämmige Frontmann und Gitarrist Sel Balamir, der irische Bassist Neil Mahony und Drummer Matt Brobin aus Wales wie ein Trio, zu dicht ist die Atmosphäre, zu wenig Raum lässt diese Wall Of Sound, zu laut ist die Band. Und ebenfalls zu keinem Zeitpunkt glaubt man, dass man es bei Amplifier mit einem Debütalbum zu tun hat, denn dafür klingt die Platte schlichtweg zu sehr nach einem jahrelangen Reifeprozess musikalischer Erfahrung. Richtig, denn die Bandmitglieder haben die Dreißig schon lange hinter sich gelassen und vorher schon in diversen anderen Combos musiziert, bevor sie sich nun mit Amplifier dem Ziel der musikalischen Perfektion gewidmet haben. Amplifier hat das Zeug zum modernen Klassiker und ist gleichzeitig eine verdammt undankbare Aufgabe für einen Musikschreiberling. Denn wie in Gottes Namen soll man einen solchen Sound in Worte fassen, ohne pausenlos Superlative zu strapazieren? Jeder der zehn Songs ist ein kleines Kunstwerk und kann uneingeschränkt für sich stehen. Das überlange, orientalisch angehauchte Airborne, erinnert stellenweise an Tool, beim ausnahmsweise mit einem Refrain aufwartenden Panzer ist der Name Programm, denn der Song rollt unaufhaltsam und groovt ungemein. The Consultancy ist einer dieser Songs, bei dem man wegen einem einzigen Gitarrenriff schlichtweg ausflippen könnte, One Great Summer stellt die allesumarmende, überlebensgroße Hymne dar. Doch was nützt es, über einzelne Songs zu sprechen, Amplifier haben mit ihrem Debüt ein monumentales Kopfkino erschaffen, dass seinesgleichen sucht - und zumindest einen Gleichgesinnten in der letzten Oceansize-Platte findet. Mit den verdammt großartigen Oceansize verbindet Amplifier übrigens nicht nur die verdammte Großartigkeit, eine ähnliche musikalische Ausrichtung und das Herkunftsland, sondern auch eine Freundschaft. Wenn diese Konstellation eines Tages auf die glorreiche Idee kommen würde, gemeinsam deutsche Hallen zu beschallen, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt.
Amplifier schaffen es, ausufernde Abgefahrenheit mit abgeklärter Souveränität zu verknüpfen, komplexen Prog-Rock mit melodiöser Eingängigkeit zu koppeln und als Trio wie ein ganzes Orchester zu klingen. Ihr Debütalbum ist ein ein musikalischer Schatz, ein fantastisches Album, und der beste britische Export seit Oceansize. Ich jedenfalls bin begeistert und bedaure, dass ich diese geniale Platte nicht besser in Worte fassen konnte. Unbedingt anhören!"
Epilog
Die Rezension weiter oben aus dem Juni 2004 besitzt natürlich auch heute noch Gültigkeit. Doch jetzt, fast ein Jahr später ist man so frei, tatsächlich die Höchstwertung zu vergeben. Denn mittlerweile ist klar: Amplifier haben es geschafft, mit ihrem Debüt eine zeitlose Platte einzuspielen, eine Scheibe, die man schon nach so kurzer Zeit zu einem modernen Klassiker erheben möchte; die auch nach mittlerweile geschätzten 300 Durchläufen noch Spaß macht und fasziniert wie beim Jungfernflug. Auf diesem Silberling treffen Ideentreichtum, progressives Denken, maximale Musikalität, technisches Können und ein fantastisches Melodieverständnis auf eine urgewaltige Wall Of Sound, die man so nie und nimmer einer kleinen Three-Piece zugetraut hätte. Diese Zutaten machten Amplifiers Debüt für mich zur besten Scheibe des letzten Jahres. Umso tragischer, dass 'Music For Nations', das Label, auf dem dieses Album einst erschien, schon kurz nach dem Release die Pleite anmelden musste und Amplifier nicht die nötige Promotion für dieses Meisterwerk des Space-Progs bekamen, die sie verdient hätten. Dieser Meinung waren wohl auch die netten Leute von 'SPV', bei denen Amplifier nun untergekommen sind und die der Platte nun zu einer zweiten Veröffentlichung helfen, im schönen Digipak und inklusive Bonus-EP. Dort enthalten sind neben den stylishen Videos zu The Consultancy und Neon auch die nur in England erhältlichen B-Seiten der Singles, vier an der Zahl und alle auf dem hohen Albumniveau. Boomtime rockt äußerst trocken, bevor es im Refrain wieder gegen Himmel geht. Half Life ist ein punktgenaues Groovemonster vorm Herrn, Throwaway ein leichtfüßiges Sammelsurium an großartigen Melodien. Und für Glory Electricity, diese anfangs sehr poppig daherstampfende und später in einem unglaublichen, wahrlich elektrisierenden Finale aufgehenden Perle jeder Amplifier-Liveshow, würden andere Bands ihre Mutter höchstbietend auf dem Flohmarkt anbieten. Jede Wette.
Fazit: Wer diese Platte bisher aus unerfindlichen Gründen noch nicht sein Eigentum nennen durfte, darf diesen Fehlern nun ausbügeln. Ein Muss.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend
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