Keine Lagerfeuermusik: Zwischen ordentlichem Emopunk und dem misslungenen Blick über den Tellerrand bleibt „Disaster“ ein äußerst wechselhaftes, zerfahrenes Erlebnis. Am Ende überwiegt der Missmut.
Bevor wir uns dem Verdacht der selbstherrlichen, ziellosen Klugscheißerei aussetzen, sei folgendes gesagt: Wenn es hier Korinthen vom Himmel regnet, dann um einer Veranschaulichung wegen. Denn die Auseinandersetzung mit der Germanifizierung des Bandnamens von Kevins Campfire macht in dieser Musikrezension durchaus Sinn, findet hier doch, genau wie in der Musik, eine Konvertierung amerikanischen Volksguts in den deutschen Sprachraum statt – auf der einen Seite amerikanische Grammatik, auf der anderen uramerikanische Musik, hier wie da mit zweifelhaftem Erfolg. Falls man also bei dem Ingolstädter Trio nicht einfach ein geschickt verstecktes Plädoyer für die „Du bist Deutschland“-Kampagne übersehen hat, sei hier angemerkt: „Kevin’s Campfire“ müsste es da eigentlich richtig heißen, apostrophiert.
Parallel zum Bandnamen adaptieren die drei Bajuwaren auf “Disaster“ typisch amerikanische Musik und klingen dabei doch immer noch verdammt deutsch. Sprich: Ihr laut eigener Aussage als „Massive Alternative Noise“ beschriebener Sound, der tatsächlich irgendwo in der Schnittmenge zwischen Punkrock und Emo liegt, wirkt stets leicht unbeholfen, textlich abgeschmackt und akzentbehaftet.
Dabei rockt „Sourcream“ zu Beginn doch noch wirklich gut und druckvoll los. Trotz oder gerade wegen seiner vorhersehbaren Struktur ist der screamolastige Opener ein guter Stimmungsmacher, der effektiv seine Wirkung vollbringt: Lust auf mehr zu machen. Doch diese vermag kaum den nächsten Song zu überstehen. Zu gekünstelt wirkt das folgende Interlude, zu platt kommt der punkrockige, penetrant ohrwurmige 9/11-Song „Adnan And Sheena“ daher. Vieles wirkt auf “Disaster“ seltsam unausgereift, gerade bei den Ausflügen in komplexere, experimentellere Gefilde abseits der 3-Akkorde-zum-Glück-Formel langt die Band regelmäßig daneben. Auch beim Versuch, die ruhigen Momente des Lebens in balladesker Form festzuhalten, bleibt die Band blass: „Hopefully Right (Part 1)“ etwa ist im Grunde genommen nichts anderes als ein standardisierter Punkrock-Song, der auf eins zu eins auf der akustischen nachgespielt wurde. Von wirklicher Tiefe ist hier keine Spur. Ein wenig mehr Variation und Rafinesse hätte man sich hier der Wunschliste fett angemarkert, denn einen ruhigen Song macht nun mal mehr aus als nur gedrosselte Lautstärke.
Die geradlinigeren Stücke liegen Kevins Campfire da eindeutig besser. Mit „Hey Okay“ oder „Get Down“ beweist die Band ein Gespür für sichere Tanzbodenfüller und man wird den Verdacht nicht los, dass es die Jungs besser bei diesem Anspruch hätten belassen sollen. So wäre man nicht bei dem Versuch auf die Nase gefallen, seinen Stücken Tiefe oder einen experimentellen Ansatz angedeihen zu lassen. Denn genau das passiert leider im Verlaufe von „Disaster“ ein ums andere Mal.
Letztlich kann die Platte in ihrer Gesamtheit einfach nicht überzeugen. Zu viele Hänger leistet sich das Trio dafür. Ein Desaster ist das letzlich nun auch nicht unbedingt, aber von einer wirklich guten Platte trennt dieses halbgare Werk doch noch so einiges.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend