Der Ausblick auf das im Frühjahr erscheinende neue Album von …And You Will Know Us By The Trail Of Dead ist ein Appetithappen, der hungrig hinterlässt. Was nicht nur daran liegt, dass er Lust auf mehr macht. Prädikat: Gut, aber unnötig.
Das ewige Paradoxon …Trail Of Dead. Auf der einen Seite: Ein Haufen unberechenbarer, arroganter Exzentriker und eine durchaus streitbare Liveband. Andererseits: Genialische Songwriter mit einem wunderbaren Melodieverständnis und Spezialisten für breitwandige, opulent arrangierte Rockmusik par excellence. Sie machen es einem nicht leicht, diese latent größenwahnsinnigen Texaner. Erst recht wenn, wie zuletzt mit "So Divided" geschehen, die Band ein wenig stagnierte, wenn auch auf hohem Niveau. Das Resultat: Nach vielen Jahren in Major-Betreuung haben sich ...Trail Of Dead wieder in die Unabhängigkeit begeben. Und siehe da, "Festival Thyme" klingt tatsächlich befreit, ohne dabei einem Befreiungsschlag gleichzukommen. Soll heißen: Derart entspannt konnte man Conrad Keely & Co. lange nicht hören, dennoch fehlen hier ein wenig die Überraschungen.
Aber fangen wir vorne an: Das in seiner artifiziell-gerenderten CGI-Haftigkeit ein wenig befremdliche (Final-)Fantasy-Artwork lässt zunächst nichts Gutes verheißen, doch ungeachtet solcher Äußerlichkeiten nähert sich die Band auf "Festival Thyme" wieder ein Stück weit dem raueren Sound von "Source Tags & Codes" an, ohne den beatlesken Gestus der letzten beiden Platten dabei gänzlich zu vernachlässigen. Den Anfang macht das eventuell schon von den letzten Deutschland-Besuchen bekannte "Bells Of Creation", hier im (aufgrund fehlender Vergleichspunkte wie auch immer gearteten) "Machete Mix": Markante, repetitive Piano-Akkorde geben die Marschrichtung vor, bevor alsbald die typisch großformatigen Riffs, das doppelte Schlagzeug und Keelys Oasis-Gedächtnisgesang hinzustoßen und der Song spätestens zum Refrain hin zum hymnischen Triumphzug avanciert. Ein gelungener Start, wenn hier letztlich auch nur altbekannte Trademarks reaktiviert werden.
Auch dem folgenden "Inland Sea" – hier vorliegend als gekürzter Edit – drückt das Piano den Stempel auf, die Stimmung ist hier aber eine grundverschiedene: Melancholisch und sehnsüchtig schwelgend schweift man in die Ferne, als würde das fliegende Schlachtschiff des Covers imaginär die Segel hissen und hinter dem entfernten Horizont verschwinden. Der harmonische, leicht angefolkte Titeltrack reißt das Ruder in seinen kompakten zwei Minuten Spielzeit anschließend wieder in Richtung freudiger Spontaneität herum und weckt in seiner gutgelaunten Bierseligkeit Erinnerungen an die bandeigene Beatles-Verneigung "Eight Day Hell". Nach derartig zurückgelehnter Ungezwungenheit wird beim abschließenden Instrumental "The Betrayal Of Roger Casement And The Irish Brigade" schließlich nochmals die volle Schippe Bombast, Pathos und Dramatik aufgeladen. Mit aller Macht und der ausgiebigen Ausreizung der Laut/Leise-Dynamik schichtet das Sextett im Stile von 70er Jahre-Prog allmählich einen dichten Soundwall auf, bevor sich langsam feine Melodien herausschälen, die Band wieder kurzzeitig innehält, hinauszögert und allmählich auf einen weiteren Klimax zusteuert. Ein pompöser Turmbau zu Babel. Doch auch hier gilt: Eine gekürzte Fassung des Songs wird (übrigens unter dem Namen "Giants Causeway" und als Opener) auf dem kommenden Langspieler enthalten sein.
Und so stellt sich ganz unvermeidlich die Gretchenfrage nach dem Sinn des Ganzen. "Festival Thyme" ist zwar eine mit vier guten, grundsoliden Songs bestückte EP, aber auch eine überraschungsarme und in letzer Konsequenz schlicht verzichtbare. Denn bei allen Qualitäten: Da sich drei der vier enthaltenen Songs in abgewandelter Fassung auch auf dem kommenden Album finden werden und die Spielzeit mit nur 17 Minuten ohnehin recht knapp bemessen ist, verdient sich "Festival Thyme" seine Daseinsberechtigung allenfalls als teurer Appetizer mit fraglichem Mehrwert. Und wenn man ehrlich ist: So ganz will sich der Enthusiasmus, den man früher gegenüber dieser Band hegte, heute nicht mehr einstellen - zu berechenbar erscheint das hier Gebotene. Ob …Trail Of Dead zehn Jahre nach ihrem namenlosen Albumdebüt wohl jemals wieder so relevant werden wie einst? Nun, so lange dabei noch immer so schöne Songs herumkommen wie in diesem Fall, darf man die Beantwortung dieser Frage aufschieben. Zumindest bis zum 20. Februar - dann nämlich wird "The Century Of Self", das sechste Album, Antworten bringen.
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend